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Die Scheinidylle am Doubs


Ich schwimme geschwächt durch die trüben Gewässer. Mein Magen brummt vor Hunger und meine Artgenossen fehlen mir. Die meisten sind in den letzten Jahren an den schwierigen Lebensbedinungen gestorben. Wenn es regnet, fliessen Schadstoffe von den Felder ins Wasser und vergiftet meine Nahrung. Früher fand ich noch reichlich nackte Felskiesel, zwischen welchen ich meine Eier ablegen konnte. Heute ist alles mit Algen bedeckt, welche mir, neben Nistplätzen, den Sauerstoff rauben. Die riesigen Schwellen versperren mir den Weg, um Flussauf- und abwärts zu wandern. Auch aus diesem Grund fällt es mir schwer Nahrung zu finden. Die Menschen von hier nennen mich «Roi du Doubs». Ich fühle mich allerdings nicht wie ein König, eher wie ein verkümmertes und belangloses Geschöpf.
Ich schwimme geschwächt durch die trüben Gewässer. Mein Magen brummt vor Hunger und meine Artgenossen fehlen mir. Die meisten sind in den letzten Jahren an den schwierigen Lebensbedinungen gestorben. Wenn es regnet, fliessen Schadstoffe von den Felder ins Wasser und vergiftet meine Nahrung. Früher fand ich noch reichlich nackte Felskiesel, zwischen welchen ich meine Eier ablegen konnte. Heute ist alles mit Algen bedeckt, welche mir, neben Nistplätzen, den Sauerstoff rauben. Die riesigen Schwellen versperren mir den Weg, um Flussauf- und abwärts zu wandern. Auch aus diesem Grund fällt es mir schwer Nahrung zu finden. Die Menschen von hier nennen mich «Roi du Doubs». Ich fühle mich allerdings nicht wie ein König, eher wie ein verkümmertes und belangloses Geschöpf.

Der Doubs ist ein 453 Kilometer langer Fluss von malerischer Schönheit und einzigartig naturbelassener Landschaft. Er verläuft an der Grenze zwischen der Schweiz und Frankreich und entspringt im französischen Mouthe. Am Ufer wachsen uralte Bäume, die vom Moos eingedeckt wurden. Riesige Karstgesteinswände in der Umgebung bilden eine spektakuläre Schluchtlandschaft. Der Fluss schlängelt sich gewannt durch die grüne Landschaft und speist zahlreiche Auenlandschaften. Dieser Ort gibt den Schein, als würde hier Natur ohne Einfluss des Menschen existieren können. Allerdings trügt dies, denn das Ökosystem des Doubs leidet. Zu seinem grössten Problem gehört das verunreinigte Wasser. Durch die Kläranlagen und die Landwirtschaft geraten Mikroverunreinigungen in den Fluss. Dies führt zur Aussterbungsgefahr verschiedener Fischarten, unter anderem dem streng geschützten «Roi du Doubs», welcher in der Schweiz nur noch im Doubs vorkommt.



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Der Lebensraum «Doubs»

In einem Interview mit Céline Barrelet wollte ich herausfinden, wieso der Erhalt der Natur und den Lebewesen am Doubs wichtig sind. Céline ist Projektleiterin des Projekts «Doubs vivant» und zuständig, jene Projekte voranzutreiben, die den grössten Nutzen für die Natur haben.

Der Doubs sei ein besonderer Lebensraum für zahlreiche vom Aussterben bedrohte Tierarten. Der Doubs gehört zum Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung (BLN). Zusätzlich befindet er sich in einem Smaragd-Gebiet, welches Teil eines Netzwerkes von besonders bedrohten Naturschutzgebieten in Europa bildet. Damit sind Bund und Kantone durch die internationale Berner Konvention verpflichtet diese Landschaft vollumfänglich zu schützen, sowie seltene Tier-und Pflanzenarten gezielt zu fördern.



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Die Verschlechterung der Wasserqualität

Obwohl verschiedene Organisation wie ProNatura, WWF und der Schweizerische Fischereiverband seit Jahren versuchen die Problematik im Doubs zu verbessern, leidet das Ökosystem stark unter der Wasserverschmutzung, wodurch die Fischpopulation weiterhin rückgängig ist. Die bestehende Verschlechterung der Wasserqualität hat verschiedene Gründe. Einerseits wird Dünger und Pestizideintrag von den landwirtschaftlich bewirtschafteten Feldern vom Regen ausgewaschen und gelangt in den Fluss. Der Nährstoffeintrag führt zu Algenwachstum, was nackte Felskiesel schwinden lässt, welche die Fische zur Eiablage benötigen. Zusätzlich führt der Algenwachstum zu knappen Mengen Sauerstoff im Wasser, ohne welchen Fische und andere Tiere sterben. Der Bund hat im Doubs verschiedene Messungen zur Qualität des Wassers gemacht und festgestellt, dass kein Grenzwert von toxischen Substanzen überschritten wird. Céline erläutert allerdings, dass auch gewisse Stoffe, die unter dem Grenzwert liegen, stark toxisch sind. Da im Doubs über 200 verschiedene Substanzen vorkommen, entsteht ein Cocktaileffekt, dessen giftige Wirkung zu wenig untersucht wurde.

Auf meine Frage, ob die schlechte Wasserqualität auch einen Einfluss auf die Pflanzenwelt hat, meint Céline das diese dadurch nicht direkt beeinträchtigt wird. Allerdings wird die Ufervegetation oft grosszügig von der Landwirtschaft abgeholzt, um ihr Land möglichst grossflächig zu bewirtschaften. Dies führt wiederum zu fehlender Beschattung des Gewässers, womit die Temperatur des Wassers ansteigt, was dem gesamten Ökosystem erheblich schadet.


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Die Erfolge der getroffenen Massnahmen

Die Zusammenarbeit der Naturschutzorganisationen, dem Bund sowie den Kantonen haben allerdings auch Positives bewirkt. Seit 2015 gibt es nun einen nationalen Aktionsplan zur Rettung des Doubs. Zudem haben die drei grossen Wasserkraftwerke ihren Betrieb reguliert. Somit kommt es nicht mehr zu Wasserpegel-Schwankungen, weswegen Fische regelmässig am Ufer strandeten und starben. Ausserdem ist die Sanierung der zwei grossen Abwasserreinigungsanlagen in Planung, was die Filterung der Mikroverunreinigungen gewährleisten soll. Mit dieser wichtigen Massnahme soll verhindert werden, dass Moleküle in den Doubs fliessen, wie sie es momentan tun und zur Verunreinigung beitragen.


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Da an mehreren Stellen am Doubs immer noch Schwellen stehen, die es den Fischen verwehren zu wandern, müssen diese beseitigt oder umgangen werden. In Saint-Ursanne soll ein Umgehungsgerinne dem «Roi du Doubs», den man zuletzt in dieser Region sichtete, die Migration ermöglichen.

Der Kanton Jura treibt zudem auch die Erweiterung des Gewässerraums voran, dank dem Uferstreifen von 15 Meter Breite nur extensiv bewirtschaftet werden dürfen und so mehr Freiraum für Pflanzen und Tiere geschaffen wird.






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Das alles klingt nach einer positiven und erfreulichen Entwicklung am Doubs. Céline meint allerdings das man betreffend dem Roi du Doubs kaum positive Resultate erkennen kann. Im Gegenteil: Das Bundesamt für Umwelt fand in den letzten Jahren nur noch vereinzelte Exemplare des Roi du Doubs – im Jahr 2020 wurde mit dem gleichen Suchaufwand gar kein «König des Doubs» mehr gesichtet.

Die Massnahmen sind also noch nicht griffig genug. Céline sagt, dass nach wie vor zu viele Schadstoffe in den Doubs gelangen und die Fischmigration nicht vollständig gewährleistet ist. So müssten beispielsweise weitere Schwellen, die nicht mehr im Betrieb sind, abgebaut werden.


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Der momentane Zustand der Doubs

Obwohl es dem Doubs verglichen mit einem Mittellandfluss relativ gut geht, hat sich die Qualität des Ökosystems stark verschlechtert und die damit zusammenhängende Fischpopulation bedeutend abgenommen.

Zusätzlich leidet der Doubs am Klimawandel. Auf gewissen Teilen der französischen Seite des Flusses trocknete er in heissen Sommermonaten bereits aus.

Wieso ist das Aussterben des Roi du Doubs so problematisch? Céline erklärt mir, dass dieser Fisch eine Flagschiffart ist und somit als Indikator für eine Menge weitere Fischarten mit ähnlichen Lebensraumansprüchen agiert. Wenn es dem Roi du Doubs gut geht, ist auch für verwandte Artgenossen eine stabile Lebensgrundlage gewährleistet. Das ist aber nicht der Fall, weswegen man davon ausgehen kann, dass andere Fische auch unter den schweren Bedingungen im Doubs leiden.


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Im grösseren Kontext betrachtet, sind gesunde Ökosystem gegenüber klimatisch bedingten Veränderungen resistenter als geschädigte. Ein fittes Ökosystem könnte den Einflüssen des Klimawandels also besser entgegenwirken.

Durch meine Reise zum Doubs wurde mir wesentlich klarer, wie wichtig die ökologische Funktion der Gewässerraume ist. Rund 80 Prozent aller Pflanzen- und Tierarten in der Schweiz kommen hier vor. Um diese wertvollen Lebensräume resistenter gegen den Klimawandel zu machen, meint Céline, müsste man eine bessere Ufervegetation schaffen, sowie die Beschattung des Gewässers fördern. Die Flüsse dürften nicht verbaut werden und wir müssten auf Stauseen verzichten. Ausserdem müssten Alternativen zur Pestizid-Landwirtschaft gefunden werden.

Am 13. Juni 2021 stimmt die Schweizer Bevölkerung mit zwei Volksinitiativen über das Problem der Verunreinigten Gewässer ab. Die Trinkwasserinitiative verlangt, dass Bauern die weiterhin Pestizide verwenden wollen, in Zukunft keine staatlichen Subventionen mehr erhalten und strebt einen starken Rückgang des Güllenaustrags an. Die Pestizidinitiative will den Einsatz von synthetischen Pestiziden komplett verbieten. Wenn diese Initiative gesetzlich verankert würde, wäre dies ein grosser Schritt, um Schäden an natürlichen Organismen, besonders im Wasser, einzudämmen. Denn, dass Pestizide die Artenvielfalt beeinträchtigt, ist wissenschaftlich unumstritten.

Wie sieht die Zukunft der Doubs aus?

Trotz der momentan kritischen Lage glaubt Céline an eine Verbesserung des Ökosystems am Doubs, wenn alle Massnahmen umgesetzt werden können. Die Natur ist grundsätzlich resilient und kann sich von Störungen und Katastrophen erholen. Ob sie vom «Roi du Doubs» beim nächsten Monitoring noch Exemplare finden, ist offen. Die Naturschutzorganisationen sind allerdings der Meinung, dass noch einige Individuen vorhanden sind.


Ich schwimme flussaufwärts zurück an den Ort, an dem ich das letzte Mal Nahrung gefunden habe. Mühsam kämpfe ich gegen den Strom an. Mir fehlt die Kraft. Es wird dunkel und die Touristen verlassen das Ufer, um wieder in ihr sicheres Zuhause zurückzukehren. Ich weiss nicht wie viele Tage ich die Strapazen noch durchhalte.


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Ich schwimme flussaufwärts zurück an den Ort, an dem ich das letzte Mal Nahrung gefunden habe. Mühsam kämpfe ich gegen den Strom an. Mir fehlt die Kraft. Es wird dunkel und die Touristen verlassen das Ufer, um wieder in ihr sicheres Zuhause zurückzukehren. Ich weiss nicht wie viele Tage ich die Strapazen noch durchhalte.

Text und Code von Niklas Eschenmoser
Fotos und Videos von Gianni Corona & Niklas Eschenmoser
Juni 2021